Vom Winde verweht – (Un)romantische Impressionen der Leverkusentour 2024
Wer jetzt glaubt, eine romantische Geschichte über Scarlett O’Hara und Rhett Butler lesen zu können, den muss ich schon im ersten Satz enttäuschen. Der Titel ist nur der Aufhänger, um möglichst viele Leser anzulocken. Ich hoffe, das ist mir gelungen!
Zur alljährlichen Leverkusentour melden sich üblicherweise keine Romantiker an, sondern eher Realisten. Man weiß vorher, dass man früh aufstehen muss, dass die Hände am Abend schlechter aussehen werden als am Morgen und dass sich die letzten 7 von den insgesamt 87 zu rudernden Kilometern ziehen werden wie Kaugummi. Dennoch fanden sich auch in diesem Jahr wieder 12 Interessenten, die diese Herausforderung annehmen wollten.
Pünktlich zum Start löste die Sonne den nächtlichen Dauerregen ab und die Sonne zeigte sich am Himmel. Die Meldung in der Wetter-App „Warnung vor starkem Wind“ nahmen wir nicht wirklich ernst, da der starke Wind aus Süd-Süd-West wehen sollte, was sich wie guter Schiebewind las. Schon auf den ersten Kilometern wunderten wir uns, da wir ganz klar gegen den Wind anruderten. Es wurden interessante Theorien dazu aufgestellt: „Der Wind weht eigentlich in unsere Richtung, lediglich die Böen kommen aus der anderen Richtung.“, „Am Ufer weht ein anderer Wind, als auf dem Rhein.“ und vieles mehr.
Vermutlich hat der Wind die Windvorhersage nicht gelesen und hat einfach gemacht, was er wollte. Fakt war jedenfalls, dass wir vom Ablegen an überwiegend gegen starken Wind anrudern mussten.
Kurz vor dem ersten Etappenziel, dem Wassersportverein Bad Honnef, hatten Martin und ich die grandiose Idee, etwas abzukürzen und windgeschützt zu rudern. Wir dachten, dass wir aufgrund des hohen Wasserstandes innen an der Bad Honnef vorgelagerten Insel vorbeirudern könnten. Nach einigen hundert Metern fuhren wir auf eine tosende Schwelle zu. Wir fuhren vorsichtig näher heran, entschieden uns dann aber zum Schutz des Bootes und zugunsten unserer eigenen Sicherheit, diesen „Wasserfall“ lieber nicht im Boot zu passieren. Also kehrten wir um und drehten so eine kleine Extrarunde vor der Frühstückspause.
In Bad Honnef war Aktionstag auf dem Bootshausgelände. Es wurde eifrig gemäht und sauber gemacht. Die Disziplin des Brennesselmähens in kurzer Hose fanden wir besonders beeindruckend. Der durch den Mäher verursachte Geräuschpegel, eine nasse Wiese und der omnipräsente Wind trugen zu einer merklichen Verkürzung unserer Pause bei. Wir passierten Bonn und fanden uns bereits um 12.30 Uhr in Mondorf zur Mittagspause ein.
Hier wurden wir von Patrik und Flummi in Empfang genommen, die die Tour mit dem ausnahmsweise einmal nicht streikenden ÖPNV begleiteten. Die Schlossherrin des „Hafenschlösschens“ (Café unmittelbar neben dem Ruderverein, Anmerkung der Redaktion) erwartete uns schon hinter ihrer gut gefüllten Kuchentheke. Hier galt das Motto „Kuchen statt Brot“, das glücklicherweise an diesem Tag keine Revolution auslöste. Nachdem die Regeln für den Bestell- und späteren Bezahlvorgang klar und deutlich aufgestellt worden waren, durften wir Tisch für Tisch unsere Bestellungen aufgeben. In freudiger Erwartung des gut gekühlten Bergischen Radlers und der Kuchenköstlichkeiten hätten wir in diesem Moment alle Regeln akzeptiert. Unser diszipliniertes Verhalten erfreute die Schlossherrin sichtlich. Ihr Verhalten konnte man fast als heiter und ausgelassen beschreiben. In jedem Fall haben wir die Weichen für eine Einkehr im nächsten Jahr zu unseren Gunsten gestellt.
Gestärkt und gut gelaunt traten wir die letzte Teilstrecke in Richtung Köln an. Der Wind holte uns schnell wieder auf den Boden der Tatsachen, besser gesagt auf die Wellen des Rheins zurück. Es war noch immer genauso windig wie vor der Pause und auch die grundsätzliche Windrichtung hatte sich nicht verändert. Nach der einen oder anderen Kurve stellte sich kurzzeitig eine Besserung ein, aber sobald man das Wort „Schiebewind“ in den Mund genommen hatte, stellte der Wind wieder klar, wer hier das meteorologische Sagen hatte. Unsere Meinung zählte hier nicht wirklich.
Am Kölner Dom hielten wir kurz inne und genossen den Anblick des gigantischen Bauwerks. Ab jetzt hieß es „Durchhalten“. Die letzten sieben Kilometer bis zum Steg des RTHC Bayer-Leverkusen zogen sich bekanntlich wie in jedem Jahr mit besonderer Zähigkeit. Aber auch das schafften wir noch. Der Wind zeigte sich sogar gnädig und frischte nur auf den letzten 500 Metern nochmals auf, damit er nicht in Vergessenheit geriet. Patrik und Flummi erwarteten uns bereits, wobei Flummi in erster Linie Corinna erwartete. Mit geübten Handgriffen holten wir die Boote aus dem Wasser und transportierten sie auf Bootswagen zum Parkplatz. Die Mannschaft eines Bootes nutzte sogar das kurze Zeitfenster des Abwartens auf den Bootswagen und riggerte das Boot schon ab! Inzwischen war unser Chauffeur Marius mit dem Vereinsbus und dem Anhänger eingetroffen, so dass wir nahtlos ins Verladen übergehen konnten. Unser Zeitmanagement war in der Tat nicht zu übertreffen.
Jetzt kam der beste Teil des Tages! Nach getaner Arbeit setzten wir uns auf die Terrasse des Bootshauses und ließen uns die von der Bootshauswirtin selbst gemachten Frikadellen und ein frisch gezapftes Kölsch schmecken. Was waren wir doch für Helden! Wir hatten die lange Strecke, trotz der „Warnung vor starkem Wind“, in einer guten Zeit hinter uns gebracht, hatten keine bleibenden Schäden erlitten und durften uns nun zur Belohnung den Abschlussimbiss schmecken lassen. Wir waren alle etwas „vom Winde verweht“, aber das passte ins Bild, bzw. auf das Gruppenfoto und störte niemanden von uns. Es war ein tolles Rudererlebnis und wir freuen uns schon auf die nächste Leverkusentour im Jahr 2025!
Bettina Grzembke