Deutsche Sprintmeisterschaften

Woran hat es gelegen… ? Torsten Knippertz, seines Zeichens TV Moderator und Stadionsprecher beim Fußball Bundesligisten Borussia Mönchengladbach, schaffte es diese Floskel vielsagend nichtssagend in einem Interview zu verdrehen.

Auch die Athleten des GTRV Neuwied fühlten sich rückblickend an seine Worte erinnert. Aber alles von vorn:
Die Corona-Pandemie hat den Regatta-Kalender der Ruderer fest im Griff und so war die Deutsche Sprintmeisterschaft am 10./11. Oktober 2020 die einzige nationale Meisterschaft, welche in diesem verrückten Jahr unter massiven Hygiene-Maßnahmen durchgeführt werden konnte. Es herrschte eine dauerhafte Maskenpflicht auf dem Regatta-Gelände und die Rennen wurden so gelegt, dass Vor-, Zwischen- und Finalläufe an einem Tag ausgefahren wurden: bis zu vier Rennen an einem Tag.

Entsprechend bescheinigte auch der Deutsche Ruderverband dem Veranstalter in Werder a. d. Havel ein Rekord-Meldeergebnis.

Am Samstag, den 10. Oktober 2020 startete bereits um 10 Uhr der Männer-Doppelvierer mit Ruben Falkenburg, Fabian Schönhütte, Lukas Effert und Melvin Hauschild ins Regattageschehen. Im 20 Boote starken Feld, was einer Verdopplung der Meldezahlen des Vorjahres bedeutete, konnte man sich gegen die Lokalmatadoren aus Werder, die RG München, den RC Nürtingen, sowie die Vereine aus Großauheim und Radebeul ungefährdet mit einem Sieg durchsetzen. Das Team Papagallo, wie es von Coach und Sportvorsitzenden Stefan Kunz liebevoll genannt wird, konnte sich durch den Vorlaufsieg direkt für das Halbfinale qualifizieren.

Im Halbfinale wurde den Zuschauern des Live-Streams (Zuschauer an der Strecke waren aufgrund von Corona verboten) das ganz große Kino geboten: Hürth, Stuttgart, Neuwied, Hanau, Leverkusen, Krefeld. Was sich für die einen liest wie ein verwirrtes Navigationssystem verspricht den anderen ein spannungsvolles Rennen. Die Top 3 dieses Rennens würden ins große Finale am Abend einziehen. Das Rennen verlief Bord-an-Bord, Platz 1 bis 6 schenken sich nichts und die ersten vier Boote kamen innerhalb von 0,8 Sekunden ins Ziel. Stuttgart siegte mit 0,35 Sekunden vor Hürth, welche zeitgleich mit den Neuwiedern die Ziellinie passierten. Der Sportvorsitzende war in den Sekunden der Entscheidung wohl näher am Defibrillator als je zuvor, konnte seiner Mannschaft aber am Steg bereits die frohe Nachricht überbringen. „Wenn du dich noch 20 Minuten ausfahren musst ohne zu wissen ob du ins große Finale gefahren bist, macht dich das wahnsinnig“, kommentierte Falkenburg anschließend seine Sicht.

Unter den Argus-Augen von Maskottchen Papi Pap ging die Mannschaft nun also zum großen Finale auf den See. Es warteten die bekannten Gesichter aus Hürth und Stuttgart, sowie die Mannschaften von Wiking Berlin, die RG Hansa Hamburg sowie die Vorjahressieger aus Köln.

Bekannt startschnell legten sich die Neuwieder Jungs in die Skulls und trieben die diese mit 46 Schlägen pro Minute durch das Wasser. Leichter Seitenwind. Gegensteuern. Endspurt. Alles geben. Zielhupe. 1:17,58 Minuten standen am Ende im offiziellen Ergebnis und bedeutete Platz 4 für Team Papagallo hinter Köln, Hamburg und Stuttgart. Sichtlich niedergeschlagen hieften die Jungs ihre Aura aus dem Wasser, legten sie in die Böcke. Die Frage die sich jeder einzelne an diesem Abend gestellt hat „Woran hat es gelegen?“. Es dauerte einige Zeit um zu realisieren gegen wen man da auch eben in einem sehr guten Rennen verloren hat.

Der Stolz über das Erreichte war der Mannschaft erst am nächsten Tag anzumerken, als sie wieder erhobenen Hauptes über den Regattaplatz flanierte um die Junioren aus dem heimischen Stall zu unterstützen.

Geleitet von Coach Lukas Effert gingen im Junior B Doppelzweier gleich zwei Neuwieder Mannschaften an den Start. Gerrit Schäfer und Linus David schielten auf die Top 12, Max Horn und Luca Hein gingen als Außenseiter ins Rennen und hofften auf einen Überraschungserfolg.

Mit 36 gemeldeten Booten im Junioren Doppelzweier B überraschte das Meldefeld selbst erfahrene Regatta-Interessierte. Dies führte dazu, dass sechs Vorläufe mit je sechs Teams an den Start gingen – ein volles Meldefeld! Dies bedeutete allerdings auch, dass sich nur der Sieger direkt für das Halbfinale qualifiziert und sich den Umweg über den kräftezehrenden Hoffnungslauf sparen kann.

Gesetzt in Vorlauf 1 sah es für Gerrit und Linus zwischenzeitlich nach einem Sieg aus. Im Ziel mussten sie sich jedoch um 0,4 Sekunden der Mannschaft aus Karlsruhe geschlagen geben. Jedoch konnte Platz 3 aus Dresden deutlich distanziert werden. Der Weg in den Hoffnungslauf war für die Jungs trotz der guten Leistung jedoch unumgänglich.

Luka und Max, gesetzt in Vorlauf 5, fanden nicht richtig in ihr Rennen und schafften es nicht sich gegen die Teams aus Berlin, Mannheim, Pirna und Waltrop durchzusetzen. Auch sie mussten sich im Hoffnungslauf erneut beweisen.

Die folgende Auslosung der Hoffnungsläufe schockte die Neuwieder Verantwortlichen: im ersten Hoffnungslauf sollten beide Neuwieder Mannschaften direkt aufeinandertreffen. Coach Effert schöpfte jedoch Hoffnung, konnten doch die beiden erstplatzierten Mannschaften das Halbfinalticket lösen.

Der Trainer bereitete beide Teams auf die bevorstehende Aufgabe vor, schärfte den Fokus eines jeden Einzelnen und schickte seine Junioren aufs Wasser. Sichtlich angespannt verfolgte Lukas bereits das Ablegen beider Crews. Die Anspannung sollte er auch bis zur Zielhupe nicht verlieren.

Bei Streckenhälfte führte das Boot aus Mannheim das Feld an, dicht gefolgt von Neuwied mit Gerrit und Linus und mit etwas Abstand zu Luka und Max. Nach der Zieldurchfahrt war es dann klar: Gerrit und Linus qualifizieren sich für das Halbfinale, für Luka und Max ist das Abenteuer Sprintmeisterschaft 2020 nach dem Hoffnungslauf vorbei.

Der Ausrichter musste aufgrund der Corona-Regeln das Halbfinale neu strukturieren. Bei der Anzahl an gemeldeten Booten wäre auch ein Viertelfinale denkbar gewesen, man entschied sich jedoch zu drei Halbfinalrennen. Im Gegensatz zum Männer-Doppelvierer am Vortag mussten die Junioren somit Platz 1 oder 2 erreichen um im großen Finale um Medaillen zu kämpfen. Platz 3 und 4 qualifizierten für das Finale B und Platz 5 und 6 beendet die Reise.

Gut eingestellt und voll fokussiert gingen Linus und Gerrit somit aufs Wasser. Coach Lukas gab seinen Athleten noch ein paar letzte Ratschläge mit. Mit einem guten Start konnte man sich im Mittelfeld festbeißen, merkte aber auch, dass der Hoffnungslauf mehr Körner gebraucht hat, als gedacht. Am Ende mussten sich die Jungs mit einem fünften Platz begnügen. Sie hatten die Top 12 damit knapp verpasst.

Trotz allem waren Sportvorsitzender und Coach zufrieden. „Die diesjährige Saison war besonders. Es war alles anders als geplant. Hut ab vor den Athleten, dass sie trotzdem fleißig trainiert haben und hier eine ordentliche Leistung gezeigt haben.“, resümierte Kunz. Effert fügte an, dass „die Jungs alles gegeben haben und sich nicht verstecken müssen. Wir werden im Winter wieder den Fokus auf die 1.500 bzw. 2.000m Strecke legen um im nächsten Jahr voll anzugreifen. Daher heißt es nun Mund abwischen und weiter machen.“

Fabian Schönhütte

Luka und Max im Training

Der Griff in die Ex-Trainer-Motivationskiste (Foto: S. Kunz)

Die haben doch ´nen Vogel – der Männerdoppelvierer mit Maskottchen (Foto: B. Effert)

Dann halt nächstes Jahr! (Foto: F. Schönhütte)

Linus und Gerrit nach dem Vorlauf (Foto. F. Schönhütte)

(Fast) alle Teilnehmer des GTRVN + Papi Pap – Max