Hart van Holland 2022
„HvH ist ja zum Glück recht easy. Sind zwar insgesamt 97Km, aber davon nur knapp 70Km Regatta und das in 4 Etappen eingeteilt, wo zwischendurch Pause ist. Daher geht das echt ganz gut. Denke, wir würden auch mit dir locker gewinnen“ So verkaufte man mir Hart van Holland, als ich noch zweifelte, ob ich eine Regatta Mitte April über 97 Km auf stehendem Gewässer wirklich so attraktiv finde. Aber nach einer Nacht drüber schlafen, dachte ich mir, dass wird vielleicht wirklich nicht sooo schlimm und wenn man schon die Gelegenheit hat mit Markus, Michi und Stefan zu fahren, kann man ja eigentlich nicht ablehnen, da man sie bei Regatten sonst nur von an einem vorbeifahren kennt. Also sagte ich zu und als fünfte konnten sie noch Luisa gewinnen.
So sammelte Markus erst uns drei an Karfreitag in Köln ein und ab Kleve fuhren wir dann mit Stefan ganz staufrei nach Utrecht. Empfangen wurden wir nicht nur von unserem Boot, was dank netter Wanderfahrtsmenschen schon vor Ort war, sondern auch von einer Helferin der Regatta. Sie war das erste Mal im Orgateam und etwas unsicher, worauf Stefan nur locker sagte, dass sei kein Problem bei Fragen könne sie sich gern an ihn wenden. Das wirkliche Ausmaß seines Wissens über Regatta und Strecke zeigte sich dann am nächsten Tag. Nach dem Einstellen des Bootes und einer kurzen Probefahrt, die viel Vorfreude auf den nächsten Tag machte, konnte zum obligatorischen Nudelessen übergegangen werden. Theoretisch, erst musste noch herausgefunden werden, wie genau nochmal der Herd anging. Alle wussten nur noch, dass es doch eigentlich ganz einfach war… Die Verpflegung passte auf jeden Fall. Für mich, die i.d.R. im Frauenboot unterwegs ist vollkommen neu, dass man in den „Regattabesprechungsmails“ so genau die Verpflegung bespricht und nicht jeder einfach irgendwas mitbringt. Dafür fehlte, auch wenn es jetzt klischeehaft wird, die Diskussion, was für ein Wetter wohl sein wird und was man dann ggf. für ein einheitliches Outfit tragen könnte, was mich beim Packen doch ein bisschen durcheinanderbrachte, aber man wächst ja bekanntlich mit seinen Herausforderungen oder auch nicht, denn es war definitiv wärmer als ich gedacht hätte. Mit vollem Magen konnte sich dann noch auf eine Variante, der von Markus und Stefan bestens vorbereiten Wechselstrategien, entschieden werden. Jetzt noch eine entspannte Nacht im Clubraum und es hätte eigentlich nichts mehr schief gehen können. Die von Orca nebenan hatten allerdings andere Pläne. So hoffte man jede schlaflose Stunde, die verstrich, dass die Musik vielleicht etwas leiser würde oder endlich mal ein paar Leute die Party verlassen würden. Aber feiern können die Holländer, so gaben sich die letzten Partypeople und die ersten Kaffeekocher von Wiking die Klinke in die Hand. Mit Schlaf war somit nicht viel, aber dafür waren wir ganz pünktlich auf dem Wasser. Zum großen Erstaunen der Herren dieses Mal auch mit fünf realen Ruderern an Board und mit sämtlichen geforderten Materialien. Das Wetter war übrigens auch schon morgens ziemlich perfekt, aber scheinbar auch hier noch kein Grund für eine Diskussion, ob man sich für Sonnbrille, Kappe oder Stirnband entscheiden sollte, aber in der Hinsicht war ich ja jetzt zum Glück schon fast selbstständig geworden.
Es konnte also losgehen, was gibt es auch Schöneres so samstags morgens um 7 Uhr. Zum Glück konnten wir uns auf dem Weg zur Schleuse noch entspannt warm rudern und ein paar Manöver durchgehen, da ich für meinen Teil die komisch schmalen und tiefen Brücken über die coronabedingte Hollandabstinenz fast verdrängt hätte. In der Schleuse mussten wir noch 6 Staffelboote den Vortritt lassen, dann durften wir auch unsere erste Etappe auf Zeit starten. Die knapp 14 Kilometer bis Breukelen vergingen wie im Flug, das Boot lief erstaunlich gut, obwohl wir noch nie vorher zusammengefahren waren und die ersten vier Staffeln konnten wir überholen. Auf der Strecke wurde laut Papier auch einmal gewechselt. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Alles was ich weiß ist, dass wir einen Schlag aussetzten und plötzlich war ein anderer Hinterkopf vor mir. Aiaiai, danach musste ich erstmal 10 Minuten überlegen, ob ich wohl dreimal oder eher viermal so lange zum Wechseln brauche…
In der zeitneutralen Zone ging es fix durch einen engen Kanal und wir schafften es ganz unversehrt über den gefürchteten Amsterdam-Rhein-Kanal. Die zweite Etappe war mit knapp 19 Km etwas länger und es wurde enger und flacher. Da sich zeigte, dass Stefan nicht nur die Strecke komplett im Kopf hatte, sondern auch jede Brücke quasi mit Maßen und entsprechender Durchfahrempfehlung kennt, legte sich langsam meine Sorge, dass ich mich beim Steuern verfahren konnte. Am Anfang der Teilstrecke sollten dann auch noch die beiden vor uns verbleibenden Staffeln überholt werden, weil es dafür später zu schmal wurde. So lernte ich auf dem Schlagplatz dann ganz unvermittelt kennen, was die drei unter „wir fahren da mal eben vorbei“ verstehen. Sehr effizient, man darf nur nicht vergessen zu atmen.
Anschließend kam die 30-minütige Mittagspause. Achja, bei jeder Regatta sollte es eine zeitneutrale Toilettenmöglichkeit geben, sehr nett. So konnte es frisch gestärkt und entleert auf das dritte und mit 29 Km längste Teilstück gehen. Aber wir fuhren uns immer besser ein und auch die Hindernisse konnten immer flüssiger genommen werden. Nur gegen Ende wurde es im flachen Wasser etwas zäh und bei jeder Brücke, die liegend genommen werden musste und die kühlenden Schatten spendete, hoffte man, dass sie etwas länger ist. Aber auch das ging vorbei und wir gönnten uns in der zeitneutralen Zone vor der letzten Etappe nochmal ein Päuschen.
Auch die zweite Kreuzung des Amsterdam-Rhein-Kanals verlief bei einem Gefahrenlevel gleich null, auch wenn mir die etwas panische Holländerin, die uns den richtigen Zeitpunkt zum Kreuzen anzeigte, hier wahrscheinlich widersprechen würden. Vor uns lag die letzte Etappe mit 13,5 Km. Schiebewind und leichte Strömung vom ersten Abschnitt waren jetzt leider nicht mehr auf unserer Seite. Zum Glück war vorgesehen, dass Luisa und ich uns das letzte Stück teilten, so dass mir nur die 7 Km in Ziel blieben. Nur. Während Luisa uns anfeuerte und ich im Nachhinein ihre Formulierung nach jedem Kilometer „es sind keine 4 Km mehr“ eine sehr nette Umschreibung für dir wahrscheinlich verbleibenden 3,95 Km fand. Ob das vor meinen Gedanken war, wie ich mich von „ganz easy“ hab überreden lassen oder dem Durchforsten meiner Erinnerung, ob ich schon mal was darüber gelesen hatte, wie lange so holländische Krankenwagen zum Einsatzort brauchen, kann ich nicht mehr sagen. Hut ab, wie man nach so einen Schlussspurt hinlegen kann, während ich nur noch darauf bedacht war irgendwie rechtzeitig ein- und auszusetzen. Aber dann waren wir im Ziel!!
Während sich die 3 Km zur Schleuse etwas zogen – auf dem Hinweg ging es irgendwie bedeutend schneller – hatten wir das Glück, das direkt nach unserer Einfahrt die Schleusung begann. Das Ausrudern zum Verein beinhaltete dann noch das Highlight des neuen Kanals direkt unter dem Einkaufszentrum durch.
Nach Bootverladen, Duschen und Buffett war man schon fast wieder revitalisiert und es blieb nur noch die Frage offen, ob wir wirklich schneller waren als alle Staffeln… Ja, waren wir. Mit 10 Minuten Vorsprung waren wir das schnellste Boot! Als Preis gab es dieses Mal zwar keine Sahnetorte, aber ein Osterei voller Schokolade und anerkennende Worte, dass wir trotz der schaflosen Nacht so schnell waren.
Damit alle zur Ostereiersuche am Sonntagmorgen zu Hause sein konnten, traten wir schnell die Rückfahrt an. Auch die verlief problemlos, was für eine runde Sache.
Fazit (nach dem Ausschlafen): coole Regatta, super Stimmung, es hat echt sehr viel Spaß gemacht und das Ergebnis passt auch! Da keine meiner anfänglichen Befürchtungen wahr geworden ist, würde ich „recht easy“ fast unterschreiben.
Lucia Exner