Island Tour 2022

Island, das Land aus Feuer und Eis … oder … ein etwas anderer Ruderbericht

„Ihr fahrt nach Island? Oh, wie toll! Zum Rudern? Nee, oder? Das glaub ich nicht! Da kann man Rudern?!“ So oder so ähnlich waren die meisten Reaktionen als wir anfingen von unserem Ruderabenteuer Island zu erzählen.

Die Teilnehmerzahl war bei dieser Fahrt auf 14 Personen begrenzt, 12 Ruderer und 2 Landdienste, was sich durch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Boote erklärt. Der RC KST hat mit der Saimaa, Myvatn und der Hjälmaren 3 umgebaute dänische Inrigger, oder auch Seegigs genannt, alle samt Dreier mit Steuermann. Und so machten Patrik und ich uns am 19. August 2022 auf den Weg nach Esperstoft in Schleswig-Holstein, wo wir uns zur Zwischenübernachtung mit dem überwiegenden Teil der Gruppe und dem Bootstransport trafen. Am nächsten Morgen ging es weiter nach Hirtshals (DK) und gegen Mittag auf die Fähre Norröna, die uns, mit Zwischenstopp auf den Färöer, in 4 Tagen nach Island brachte.

Pünktlich um 9 Uhr Ortszeit am 23. August lief die Norröna in Seydisfjördur auf Island ein. Auf direktem Weg ging es nach Neskaupstadur. Flott auf der Straße umziehen und ab in den eiskalten Nordfjördur. Amphibisch einsteigen sollte die Regel werden. Es war kalt, es regnete und für den Anfang hatten wir auch recht hohe Wellen. Ziel war es ursprünglich bis auf den Mjoigfjördur zu kommen, aber die Wellen verhinderten dies. 13 nass kalte Kilometer waren für den Anfang allerdings auch absolut ausreichend.

Am nächsten Morgen ging es bei 6 Grad und Nieselregen los. Eine Kneippkur ist gegen den Fjord vermutlich eine Badewanne. Über den Nordfjördur ruderten wir in den Hellisfjördur und von dort in den Vidfjördur. Das war Coastal Rowing nur mit Inriggern. Zunächst schöne lange hohe Wellen (ca. 3 Meter hoch) auf denen man quasi surfen konnte. Später wurde es etwas ungemütlicher. Auf einem Video festgehalten hätte der Kommentar lauten können „da sind sie, weg sind sie, da sind sie, weg sind sie“. Zu Anfang habe ich gesteuert, und keine einzige Welle reinbekommen, und später dann auf Schlag gewechselt. Bereits heute hatte sich bewährt, was Patrik mir von Beginn an eingetrichtert hat „Du darfst alles machen, nur nie aufhören zu rudern, egal was passiert!“. Es waren 27 aufregende Kilometer. Wir übernachteten im Kafihusid in Eskisfjördur und gingen abends auch dort essen. Es sollte das einzige Mal bleiben.

Der 25. August war wetterbedingt ein reiner Landtag. Es war so stürmisch, dass das Wasser auf dem Lagarfljot richtig weiß war. An rudern war nicht zu denken. Wir fuhren stattdessen nach Hafnarholmi zum Vogelfelsen. Meine Geduld wurde belohnt, ich habe das heimliche Nationaltier Lundi gesehen und fotografieren können. Nachmittags stand eine Wanderung zum Hengifoss an. Es ging 2,5 km bergauf und war so stürmisch, dass es einen regelrecht zur Seite wehte und man kaum vorwärtskam.

Leider hatte uns auch am nächsten Tag der Sturm ordentlich in die Rudersuppe gespuckt, so dass ein weiterer Landtag unumgänglich war. Bei 2 Grad und Nebel ging es ins Hochland. Bis zum Stausee Hálslón war die Straße noch asphaltiert, danach ging sie in eine Schotterpiste über. Diese Piste führte uns durch mondlandschaftliche Gegenden, karg und ungastlich.  Für eine Wanderung stoppten wir am Hafrahvammagljúgur Canyon. Beeindruckende Gesteinsformationen, moosbedeckte Hänge.

Am darauffolgenden Tag zog es uns 250 km weiter Richtung Myvatn. Erstes Highlight war der Dettifoss, einer der größten Wasserfälle Europas, gefolgt von dem deutlich kleineren Sellfoss. Von dort ging es zu dem Solfatarenfeld Námafjall Hverir. Hier kochte die Erde förmlich und es roch durch den Schwefel nach faulen Eiern. Anschließend fuhren wir steil bergauf, vorbei an einem Geotermiekraftwerk, zum Krafla Vulkan. In dessen Caldera befindet sich das Maar Viti. Auf dem Rückweg haben wir an einem heißen Lavafeld, namens Leirhnjúkur, angehalten. Man konnte die Kraft eines Vulkanausbruchs förmlich spüren. Überall stieg heißer Wasserdampf auf. Mitten in der Nacht klingelte das Telefon und es klopfte an der Tür. Es gab Polarlichter zu sehen, recht schwach, aber das Glück hat trotzdem nicht jeder.

Am 28. August wurde endlich wieder gerudert, und zwar auf dem Myvatn. Myvatn heißt übersetzt Mückensee. Dass der See zu Recht seinen Namen trägt, haben wir eindrücklich zu spüren bekommen. Einmal Mund aufmachen und der Proteinbedarf für den Tag war mehr als gedeckt. Wir sind den See annähernd komplett ausgefahren, auch Seitenarme mit interessanten Gesteinsformationen, jeder Menge kleiner Inselchen und lachenden Vögeln und haben es damit auf 32 km gebracht. Danach ging es noch kurz zur Grjótagjá Grotte, die als Kulisse für Game of Thrones diente. Das nächste Highlight wartete in Dimmuborgir, oder auch schwarze Burg genannt. Überreste eines Ausbruchs des Krafla. Ein riesiges Lavafeld mit Formationen, die einer Kirche oder Festungsanlage ähneln.

Auf dem Weg nach Akureyri stoppten wir am Godafoss, ein ebenfalls sehr imposanter Wasserfall. In Akureyri angekommen, wurden die Boote zu Wasser gelassen. Kaum waren wir los gerudert, tauchten 3 Minkwale auf. Leider waren sie zu beschäftigt, um uns für ein Fotoshooting zur Verfügung zu stehen. Durch den Eyjafjördur ruderten wir 37 km hoch bis Arskógssandur.

Bei stürmischer See ging es am nächsten Tag nach Dalvik. Es war mit 11 km eine kurze Etappe, die es jedoch in sich hatte. Wir wurden mit den Wellen förmlich in die Bucht gespült. Eine Pause war fast unmöglich, da wir sofort quergelegt worden und vollgeschlagen wären. Daher war permanente Ruderbereitschaft erforderlich. Den Nachmittag hatten wir zur freien Verfügung und nutzen ihn zum Shoppen isländischer Wollprodukte und der Einkehr in ein kleines Kafihusid. Nach dem Abendessen gab es noch Hotpot, Lagerfeuer und Sauna.

Der frühe Vogel und so … während halb Island noch schlief, saßen wir bereits im Ruderboot. Da für den Nachmittag des 31. August 6 Windstärken und mehr gemeldet waren, ging es kurz nach Sonnenaufgang los. Gerudert wurde von Dalvik vorbei an der Insel Hrisey in den Òlafsfjördur. 21 landschaftlich reizvolle Kilometer. Steile Hänge, karg, hier und da ein wenig grün und viele kleine Wasserfällchen. In weiter Entfernung tauchte ein Wal auf. Es waren auch Robben zu sehen, jede Menge Küstenseeschwalben und Eissturmvögel. Übernachtet wurde in Bungalows mit privatem Hotpot auf der Veranda. Diesen nutzen wir natürlich. Ich wollte zudem wissen, wie es ist zur Abkühlung in einem der nördlichsten Fjordseen Islands zu baden … kalt … arsch kalt!

Der letzte Tag im Norden brach an. Aufgrund der Windvorhersage ging es wieder sehr früh los. Auf dem Fjord selbst ging es noch recht „gemütlich“ zu. Ums Cap herum wurde es dann doch recht ruppig. Es war wieder Wellenreiten angesagt. Ich übernahm die erste Hälfte der Steuerstrecke und habe erneut kein Tröpfchen Wasser ins Boot bekommen. Bei den Bedingungen war ich echt ein wenig stolz. Es ging am Hedinsfjördur vorbei zum Siglufjördur. Nach 29 km hatten wir den für uns nördlichsten Punkt der Reise erreicht. Ganz kurz tauchten ein Wal und eine Robbe auf. Siglufjördur ist ein ehemaliges Fischerdorf, das sich mit dem Heringsfang einen Namen gemacht hatte. Dort spielt die isländische Krimiserie „Trapped“. Abends gab es mangels Kochgelegenheit im Quartier Fish and Chips.

Der 2. September war ein reiner Reisetag, denn es ging rund 300 km vom Norden in den Südwesten. In der Nacht gab es wieder jede Menge herrliche Polarlichter. An Schlafen war so gut wie nicht zu denken, dafür war das Naturschauspiel einfach zu einzigartig.

Der nächste Tag sollte ein schöner Landtag werden. Sollte, denn nach gut 20 km wurden wir unsanft gestoppt. Ein Reifenplatzer Mitten in der Pampa. Also Rad ausbauen und eine Werkstatt suchen. Nach 6 Stunden, die Patrik und ich uns mit einer kleinen Wanderung vertrieben, konnte es endlich weitergehen. Wir fuhren nun zum Thingvellir. Hier wurde 930 das Althing als Generalversammlung der jungen isländischen Nation gegründet. Thingvellir liegt in einer Grabenbruchzone im Grenzbereich der amerikanischen und eurasischen Platte und ist geologisch von großer Bedeutung. Ferner legten wir noch einen Stopp am Thingvallavatn ein, auf dem am übernächsten Tag gerudert werden sollte.

Der 4. September stand ganz im Zeichen der touristischen „must haves“. Wir besuchten den „Golden Circle“. Gestartet wurde mit dem Strokkur, einem Heißwassergeysir, welcher zuverlässig alle paar Minuten eine meterhohe Fontäne ausspuckte. Als nächstes stand der Gullfoss auf dem Programm, ein sehr imposanter Wasserfall. Nachmittags ging es weiter in den Süden über Sellfoss nach Eyrarbakki und nach Thorlákshöfn. Zurück ging es über Hveragerdi, welches als Gewächshaus Islands gilt.

Am nächsten Tag stelle sich die Frage „welchen Tod sterben wir?“ … Rudern oder Vulkan? Wir zögerten nicht lange und entschieden uns für Vulkan. Mit Vulkan war „der“ Vulkan gemeint. Der Fagradsfjall, welcher am 3. August 2022 ausgebrochen war und bis zu unserer Ankunft noch heiße Lava versprühte. Da die Lava also gerade mal 14 Tage alt war, dampfte sie noch an der ein oder anderen Stelle. Es war eine 14 Kilometer lange Wanderung. Wir standen auf der Lavazunge und konnten sowohl den Krater als auch die Spalte sehen. Es war einerseits traurig, in welchem Ausmaß alles darum verbrannt war, aber es war zugleich auch faszinierend, wie hier und da ein Fitzel Grün oder sogar ein Blümchen überlebt hatte. So nah dran zu sein, Kraft und Energie zu spüren, einfach Wahnsinn.

Der letzte Tag auf Island war zwar wieder ein Reisetag, aber es sollte auch ein Tag der Highlights werden. Es ging knapp 300 km Richtung Ausgangspunkt. Highlight 1 war der Seljalandsfoss. Für mich der schönste Wasserfall, da man hinter der „Wassergardiene“ herlaufen kann. Ein paar Kilometer weiter der Skogarfoss, welcher sich uns mit mehreren Regenbogen präsentierte. Weiter ging es zu Highlight 2, dem Black Sand Beach in Vik mit seinen Nadelfelsen. Der Sand ist warm, das Wasser dagegen saukalt. Von dort fuhren wir zum absoluten Highlight des Tages, der Gletscherlagune Jökulsárlon und dem Diamond Beach. Diese Lagune ist gefüllt mit Eisschollen, welche sich ihren Weg hinaus aufs Meer suchen und genau dort wollten wir rudern. Erlaubt war es glaub ich nicht, so richtig verboten aber auch nicht. Die Guides, welche mit ihren Booten die Touris über die Lagune schipperten, interessiere es jedenfalls wenig. Und so luden wir ein Boot ab. Mannschaft für Mannschaft wagte sich auf das Meer aus Eisbergen, bemüht nicht Titanic zu spielen. Ein unglaubliches und unvergessliches Erlebnis.

Am 7. September hieß es nach weiteren 250 km Fahrt Abschied nehmen und Einschiffung auf der Fähre Norröna, die uns in 4 Tagen, und einem weiteren Stopp auf den Färöer, wieder zurück nach Hirtshals brachte.

Hinter uns liegt ein Traumurlaub. Und der Beweis, dass man auf Island rudern kann. Auch wenn es nur rund 170 Ruderkilometer waren, so möchte ich doch keinen einzigen davon missen. Die Eindrücke und Erfahrungen werden uns noch lange im Gedächtnis bleiben. Es war ein sündhaft teurer Urlaub. Auch wenn der KST sonst für low budget Urlaube bekannt ist, dies hier war zumindest in Euro gesehen ein Luxusurlaub. Die Quartiere haben durchweg 100-150 Euro pro Person und Nacht gekostet, für die ich in Deutschland teilweise noch keine 50 Euro gezahlt hätte. Übernachtet wurde in Appartements, einfachen Hotels bzw. Hostels und auf Campingplätzen. Essen gehen, vergiss es, ne Pizza kostet 25-30 Euro, ein Bier 10 Euro (in der Vinbudin/Supermarkt 5 Euro). Daher wurde fast ausschließlich selbst gekocht. Auch wenn die Lebensmittelpreise heftig waren, gab es abwechslungsreiche Mahlzeiten. Also nicht nur Reis mit Scheiß, sondern auch Lammtopf oder Fisch. Privat haben wir uns des Öfteren Skyr gegönnt. Wer glaub, dass dieser im Mutterland des Skyrs günstig wäre, weit gefehlt, 150 g 3,50 Euro! Auch dekadent durfte es mal zugehen, mit Lachs und Kaviar. Das machte den Bock tatsächlich nicht mehr fett. Zu empfehlen ist zudem die Anreise mit der Fähre statt dem Flieger. Ja, auch das hat es nicht günstiger gemacht, was auch daran lag, dass wir eine Außen-Zweibettkabine mit Minibullauge, dafür aber Tageslicht, dem Massen-Schlafverlies unter Deck vorgezogen haben. Es war eine Reise, bei der man nicht auf den Euro schauen darf.

Und ich komme trotzdem wieder …

 

Corinna Schneider