Ostern auf der Saar
Von französischer Bürokratie, Saarbrücker Stadtarchitektur, sechseckigen Festungsanlagen, dem Stammsitz eines renommierten Keramikherstellers und Donauwellen am Zusammenfluss von Saar und Mosel.
Zur Osterwanderfahrt 2023, die für 15 Personen ausgeschrieben war, hatten sich ganze acht Interessenten angemeldet. Zwei fielen kurzfristig aus, so dass wir uns am Karfreitag mit einer zusammengeschrumpften Gruppe aus sechs Personen in Richtung Saar auf den Weg machten. Die viertägige Tour startete in Saargemünd oder wie es in Landessprache richtig heißt „Sarreguemines“. Saargemünd liegt zwar direkt an der deutsch-französischen Grenze, gehört aber zu Frankreich. Beim „Aviron Club de Sarreguemines“ wurden wir von den französischen Ruderkollegen freundlich empfangen. Sie halfen beim Abladen und Zuwasserlassen der Boote. Außerdem wurden wir mit Kaffee und anderen Getränken versorgt.
Das Problem an der Etappe entlang der Landesgrenze war, dass drei von vier Schleusen der französischen Schifffahrtsverwaltung unterstellt waren und dort einige Wochen vor der Wanderfahrt eine Genehmigung zur Schleusennutzung beantragt werden musste. Zum Glück traf diese Genehmigung rechtzeitig ein und wir wurden von einem freundlichen französischen Schleusenwärter geschleust und begleitet, bis man sich sicher sein konnte, dass wir uns wieder auf deutschem Terrain befanden und die französischen Schleusen durch uns keinen Schaden mehr nehmen konnten.
Die erste Etappe war kurz und endete am frühen Nachmittag beim Ruderclub Saar in Saarbrücken. Um von der Saar zum Bootshaus zu gelangen, mussten wir unsere Boote durch einen Tunnel unter der Stadtautobahn transportieren. Jochen vom Ruderclub Saar war so nett, Martin mit dem Auto zurück nach Saargemünd zu fahren, damit der Bootstransport dort abgeholt werden konnte. In Anbetracht der frühen Ankunft hatten wir uns entschlossen, den Transport noch am gleichen Tag zum Endpunkt der Wanderfahrt nach Konz vorzufahren. Martin übernahm diese Aufgabe und kam pünktlich zum Abendessen mit dem Zug wieder in Saarbrücken an. Wir anderen hatten den Nachmittag für eine Erkundungstour durch Saarbrücken genutzt. Die direkt an der Saar mitten durch die Stadt führende Autobahn prägt die Stadt nicht unbedingt zu ihrem Vorteil. Auch die in unmittelbarer Nähe der Innenstadt gelegenen Geschäftshäuser passen sich von ihrer Beton-Optik her dem Autobahncharakter an. Erst gegen Ende unserer Stadtbegehung gelangten wir in die Altstadt, der wir dann doch etwas Charme abgewinnen konnten. Unser Eindruck von Saarbrücken trug dazu bei, dass wir unsere Heimatstadt Neuwied am Ende dieses ersten Tagen doch als „gar nicht so schlecht“ empfanden.
Da Sandra und Axel als „Brötchenbeauftragte“ ausgefallen waren, übernahm Helene diesen Job. Nachdem sie den Weg aus dem Bootshaus nach gründlichem Suchen endlich gefunden hatte, meisterte sie ihre neue Aufgabe souverän. Die Saarbrücker Stadtpromenade wirkte vom Wasser aus auch nicht schöner als am Vortag. Auf der anderen Seite rauschte der Verkehr über die Autobahn, was uns an diesem Tag noch längere Zeit erhalten bleiben sollte. Das Telefonat mit dem Schleusenwärter in Saarbrücken gestaltete sich schwierig, da er der Meinung war, Ruderer müssten die Umtragestellen benutzen. Dummerweise hatten wir für die deutschen Schleusen nur fernmündlich vereinbart, dass wir am Osterwochenende geschleust werden möchten. Vielleicht nehmen wir uns an der französischen Bürokratie ein Beispiel und stellen demnächst einen schriftlichen Antrag, um solche Diskussionen zu vermeiden!
Die Samstags-Etappe führte uns am Weltkulturerbe Völklinger Hütte vorbei. Den Lärm und Schmutz zur Zeit der Inbetriebnahme konnten wir uns nur ansatzweise vorstellen. Unser Tagesziel Saarlouis erreichten wir am frühen Nachmittag. Im schönen Bootshaus des Kanuzentrums fühlten wir uns fast wie zu Hause. Die Vaubanschen Festungsanlagen aus der Zeit des französischen Sonnenkönigs, nach dem „Sarre-Louis“ benannt ist, spannten sich in früherer Zeit wie das französische „Hexagone“ (Sechsteck) um die Stadt. Auch die Innenstadt mit ihrem von Bäumen gesäumten großen Marktplatz mutete französisch an. Auf vielfache Empfehlung fanden wir uns im Anschluss an den Stadtrundgang zum Abendessen im Bootshaus-Restaurant ein. Mit schönem Blick auf die Saar speisten wir dort ganz hervorragend.
Die 3.Etappe führte uns von Saarlouis nach Mettlach. Ab Merzig hatten wir endlich den störenden Verkehrslärm der Autobahn hinter uns gelassen. Die landschaftlich reizvolle Saarschleife wurde nicht nur von uns als schön empfunden. Zahlreiche Wanderer und Radfahrer waren dort am Osterwochenende unterwegs. Unseren Plan, dort anzulegen und zur Mittagspause einzukehren, konnten wir jedoch nicht umsetzen, da offenbar kein Gastronomiebetrieb die Coronakrise überlebt hatte. Also ruderten wir weiter nach Mettlach, dem Stammsitz des Keramikherstellers Villeroy und Boch. Das nicht zu übersehende mächtige Sandsteingebäude, das noch heute die Firmenzentrale beheimatet, thront herrschaftlich am Ufer der Saar. Auch in Mettlach waren wir wieder beim Kanuclub zu Gast. Auf der sonnigen Bootshausterrasse gönnten wir uns ein Kaltgetränk und verspeisten die Reste von Constanzes leckerem Kuchen. Beim Erkunden des Ortes trafen wir auf einen auskunftsfreudigen Mettlacher Bürger, der uns die Geschichte der Familie Boch näherbrachte und zu berichten wusste, dass Wilhelm Tell mit einer Tochter der Unternehmerfamilie verheiratet war und in Mettlach seine letzte Ruhestätte gefunden hatte. Da wir unser Abendessen in der Abtei-Brauerei nicht weiter hinauszögern wollten, mussten wir uns von unserem selbst ernannten Stadtführer schließlich verabschieden.
Am Ostermontag ruderten wir von Mettlach nach Konz. Wie schon am Vortag, erwartete uns ein landschaftlich reizvolles Teilstück der Saar. Das frühlingshaft warme Wetter des Ostersonntags wollte sich nicht so recht halten. Am Morgen spürte man die durch Schleierwolken verdeckte Sonne noch merklich, aber am Nachmittag setzte ein kühler Gegenwind ein. Nach der letzten Saarschleuse in Kanzem waren es noch 5 km bis zur Mündung in die Mosel. Da der Bootssteg des RKV Konz sich noch im Winterlager befand, nahmen wir die Boote am Campingplatz in Konz aus dem Wasser. In rekordverdächtigem Tempo machten wir die Boote transportfähig und verluden sie auf den Anhänger. Bevor es auf die Heimreise ging, gönnten wir uns auf der Terrasse der Campingplatz-Gastronomie noch einen Imbiss. Nach vier Tagen Saar ohne Wellen übten die Donauwellen den größten Reiz auf uns aus. Als diese serviert wurden, mussten wir zwar feststellen, dass die Rezeptur etwas ungewöhnlich war, aber so weit entfernt von der Donau ließen wir das gelten. Die Rückfahrt verlief staufrei und auch ansonsten reibungslos. Das anschließende Abladen und Reinigen der Boote brachten wir in routinierter Form zügig hinter uns und verabschiedeten uns mit einem Gefühl höchster Zufriedenheit. Mit den Eindrücken dieses harmonischen und sportlichen Osterwochenendes haben wir die GTRVN-Wanderfahrtssaison 2023 aus unserer Sicht in angemessener Form begonnen.
Bettina Grzembke